Ehemalige Kiesgrube Espel, Gossau
Das Schutzgebiet «Ehemalige Kiesgrube Espel» befindet sich auf Gemeindegebiet der Stadt Gossau, nahe an der Grenze zur Nachbargemeinde Flawil. Es liegt auf einer von eiszeitlichen Schmelzwassern abgelagerten Schotterterrasse zwischen der heutigen Glatt im Westen und dem Dorfbach Gossau im Norden. Das Gebiet ist aus einer ehemaligen Kiesgrube hervorgegangen und wurde 1980 unter Schutz gestellt. Es besitzt bedeutende Amphibienvorkommen und ist ein Amphibienlaichgebiet von nationaler Bedeutung (Nr. SG 600). Die Stadt Gossau übergab im Jahr 2018 die 5.5 ha grosse Parzelle Pro Natura. Da die Sukzession weit forstgeschritten war, liess Pro Natura ein neues Pflege- und Entwicklungskonzept erarbeiten. Die ersten neuen Laichgewässer wurden bereits im Jahr 2019 geschaffen. 2020/21 wurden weitere Aufwertungsmassnahmen umgesetzt und das Schutzgebiet anhand eines neu ausgearbeiteten Besucherlenkungskonzepts markiert. Das Naturschutzgebiet wird von einer Gruppe Freiwilliger in Zusammenarbeit mit einem Landwirt gepflegt.
Das Pro Natura Schutzgebiet der ehemaligen Kiesgrube Espel ist in einem 15-minütigen Fussmarsch von Burgau (Bushaltestelle Flawil, Burgau) aus erreichbar. Wanderweg in Richtung Kolumbanshöhle folgen (Columbanweg).
Beim Eingang des Schutzgebiets steht eine begrenzte Anzahl an Parkplätzen zur Verfügung.
Kiesgruben können sich für Tiere und Pflanzen der Flussauen zu wichtigen Ersatzlebensräumen entwickeln. Nicht nur die Beschaffenheit des Bodens ist in beiden Lebensräumen ähnlich, sondern auch die Lebensraumdynamik. In aktiven Kiesgruben sorgt nämlich der Bagger immer wieder für neue Pionierstandorte und Tümpel, ähnlich wie ein Hochwasser in den Auen. Mit der Aufgabe des Kiesabbaus schreitet indes die Sukzession schnell voran: Tümpel verlanden, Ruderalflächen verbuschen und entwickeln sich innert weniger Jahre zu einem Wald. Sollen die naturschützerischen Werte ehemaliger Kiesgruben erhalten werden, ist eine intensive Pflege notwendig. Auch die Stadt Gossau war sich dieser Sachlage bewusst und intensivierte vor allem die forstlichen Pflegemassnahmen. Trotz dieser Anstrengungen gelang es nur beschränkt, die Amphibienvorkommen zu halten. So sind in den letzten Jahrzehnten die Vorkommen von drei Amphibienarten (Kreuzkröte, Geburtshelferkröte und Laubfrosch) erloschen und die Gelbbauchunke konnte nur dank dem grossen Einsatz des Naturschutzvereins Gossau und Umgebung vor dem lokalen Aussterben bewahrt werden. Deshalb hat die Stadt Gossau im Jahr 2018 die Parzelle an Pro Natura St. Gallen-Appenzell abgetreten.
2019 liess Pro Natura einen Pflege- und Entwicklungsplan erarbeiten, deren Massnahmen in den Jahren 2019-21 umgesetzt wurden. Das Naturschutzgebiet Espel wird gemäss Pflegekonzept und -plan 2021 von einer Gruppe Freiwilliger in Zusammenarbeit mit einem Landwirt gepflegt.
Biotop Espel in besten Händen / Medienmitteilung Stadt Gossau vom 23.04.2018 Pflege- und Entwicklungsplan 2019 Pflegekonzept und -plan 2021Bereits im Frühling 2018 hat Pro Natura St. Gallen-Appenzell die Amphibienvorkommen im Schutzgebiet Espel untersucht. Wegen der niedrigen Bestände, insbesondere von Kamm- und Teichmolch sowie der Gelbbauchunke, wurden als Sofortmassnahme im Winter 2018/19 neue Amphibienlaichgewässer gebaut: Zwei grössere Weiher zur Förderung der Molche sowie eine Anlage mit vier Tümpeln zur Förderung der Gelbbauchunke. Der Erfolg liess nicht lange auf sich warten; in der Saison 2019 konnte eine gute Reproduktion der Gelbbauchunken beobachtet werden.
Parallel zu diesen ersten Massnahmen wurde ein Schutzkonzept und ein Aufwertungsprojekt erarbeitet. Das Bauprojekt wurde im Spätsommer 2019 zur Bewilligung eingereicht. Das Aufwertungsprojekt, welches im Jahr 2021 abgeschlossen wurde, verfolgt gemäss dem gesetzlichen Auftrag des Bundes das Hauptziel, die Amphibienfauna zu fördern.
Fauna
Das Schutzgebiet der ehemaligen Kiesgrube Espel ist ein Amphibienlaichgebiet von nationaler Bedeutung und beherbergt acht verschiedene Amphibienarten, darunter auch die in der Schweiz stark gefährdeten Arten Teichmolch (Lissotriton vulgaris), Kammmolch (Triturus cristatus) und Gelbbauchunke (Bombina variegata). Neben den Amphibien bestehen aktuelle Grundlagen zu den Libellen im Gebiet. Mit insgesamt 38 Libellenarten konnte im Zeitraum von 2013-2018 eine vielfältige Libellenfauna nachgewiesen werden.
Flora
Unter den gefährdeten Pflanzenarten der Roten Liste kommen im Schutzgebiet Espel ausschliesslich Ruderal-, Wasser- und Sumpf-pflanzen vor. Mit der Dickährigen Trespe (Bromus grossus) kommt im Gebiet sogar eine vom Aussterben bedrohte Pflanzenart vor. In der Schweiz sind aktuell weniger als 10 Standorte dieser Art bekannt, davon zwei im Kanton St. Gallen. Die Dickährige Trespe ist ursprünglich eine Ackerbegleitart des Wintergetreides, die speziell in Dinkelfeldern vorkam, seit dem Verschwinden dieser Kulturform aber ausschliesslich als Therophyt in Ruderalstandorten überleben konnte. In der ehemaligen Kiesgrube Espel wurde die Art erst 2013 entdeckt und 2016 im Rahmen eines Monitorings prioritärer Pflanzenvorkommen bestätigt. Die Dickährige Trespe ist ein mitteleuropäisches Florenelement und gilt auch als europaweit geschützte Art der Berner Konvention.
Unter den potenziell gefährdeten Pflanzenarten stechen verschiedene Sumpfpflanzen hervor, die v.a. in der Streuwiese im Nordteil des Gebietes vorkommen: Fleischrote Fingerwurz (Dactylorhiza incarnata), Sumpf-Stendelwurz (Epipactis palustris) und Sumpfbinse (Eleocharis palustris agg.).
Amphibienmonitoring 2018Besucherinnen und Besucher können das Schutzgebiet Espel auf einem Rundweg erkunden. Die restlichen Flächen sind bewusst der Natur vorbehalten und dürfen nicht betreten werden.
Neben mehreren Sitzbänken gibt eine hölzerne Beobachtungsplattform beim Gebietseingang im Süden einen vertieften Einblick ins Gebiet. Vom treppenartig angelegten Steg aus Sandstein beim ehemaligen Absetzbecken im Norden können die Wasserbewohner beobachtet werden.
Um die Besuchenden des Schutzgebiets Espel mit weiterführenden Informationen über Flora und Fauna zu versorgen, wurden entlang des Rundweges verschiedene Thementafeln angebracht. Über den darauf abgebildeten QR-Code können interessierte Besucherinnen und Besucher folgende ökologische und naturschützerische Inhalte zum Gebiet abrufen:
1 / Ehemaliges Absetzbecken 2 / Eidechsenburg 3 / Extensive Wiesen 4 / Ein Tümpelsystem für Gelbbauchunken 5 / Laichgewässer für seltene Molche 6 / Ruderalflächen 7 / Steinlinsen 8 / Totholzhaufen - und doch voller Leben 9 / Wildbienen - artenreich und bedroht 10 / Findling im Naturschutzgebiet Espel