Umweltverbände stufen weitere Bejagung der Rothirsche im Jagdbanngebiet Säntis als bundesrechtswidrig ein
Der Wald im Eidgenössischen Jagdbanngebiet Säntis und dem angrenzenden Weissbachtal steht unter Druck. Er verjüngt sich nicht mehr in genügendem Mass. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Einerseits lässt der lang verfolgte, unnatürliche Waldbau mit viel zu dichter und dunkler Fichtenbestockung kaum natürliche Verjüngung zu und bietet einen unzureichenden Lebensraum für Wildtiere. Andererseits ist die Rothirschpopulation gewachsen und die damit verbundenen Schäden an Bäumen haben zugenommen. Die landwirtschaftliche Sömmerung im Jagdbanngebiet führt zu einem geringeren Nahrungsangebot für den Rothirsch in Offenflächen und die Freizeitnutzung treibt die Hirsche zusätzlich vom Offenland in den Wald. Diese Zusammenhänge hat auch der Kanton Appenzell Innerrhoden erkannt und 2017 das Konzept «Wald & Hirsch» erarbeitet. Darin sind Massnahmen in den Bereichen Jagd, Forst, Landwirtschaft, Freizeitnutzung und Kommunikation vorgesehen. Die Massnahmen werden jedoch nur unzureichend umgesetzt. Während die jagdlichen Massnahmen seit 2017 realisiert werden – inklusive schwerpunktmässiger Bejagung im Jagdbanngebiet Säntis – wurden die Massnahmen im Bereich Wald erst seit zwei Jahren intensiviert. In den Bereichen Landwirtschaft und Tourismus hapert die Umsetzung. So hat die Landsgemeinde die Schaffung der dringend notwendigen Wildruhezonen diesen Frühling abgelehnt und die Standeskommission hat beschlossen, die Alpbewirtschaftung im Jagdbanngebiet nicht an das tatsächliche Äsungsangebot anzupassen. Stattdessen sollen laut der Standeskommission «im Jagdbanngebiet genügend Hirsche geschossen werden».
Das Eidgenössische Jagdbanngebiet Säntis ist ein integral geschütztes Gebiet, in dem gemäss Jagdbanngebietsverordnung nur in Ausnahmefällen Regulierungsmassnahmen angeordnet werden dürfen. Der Kanton Appenzell Innerrhoden stellt aber seit über zehn Jahren Ausnahmebewilligungen für die Bejagung der Rothirschpopulation aus. Es besteht kein strategisches Ziel und keine zielgerichtete Planung, die darauf abzielt, kurz- oder auch erst mittelfristig die Jagd im Jagdbanngebiet wieder einzustellen. Ganz im Gegenteil wird die Jagd im Jagdbanngebiet offenbar als die entscheidende Massnahme verkauft, um der Wald-Hirsch-Problematik im Kanton Herr zu werden. Dies, obwohl eine Bestandesregulierung in einem Jagdbanngebiet die letzte Massnahme sein müsste. Pro Natura und WWF haben sich daher dazu entschlossen, die Verfügung zur Bejagung im EJBG für den Jagdwinter 2022/23 rechtlich anzufechten.
Die Umweltverbände bedauern sehr, dass sie nach so vielen Jahren des Entgegenkommens nun erstmals von ihrem Verbandsbeschwerderecht Gebrauch machen müssen. Es ist aus ihrer Sicht aber das einzige Mittel, um den Schutz des Lebensraums und die gesetzlich geforderte Erhöhung der Lebensraumqualität im Jagdbanngebiet Säntis durchzusetzen.
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Weitere Auskünfte:
- Dr. Corina Del Fabbro, Geschäftsführerin Pro Natura St. Gallen-Appenzell, 071 260 16 65, @email
- Mila Yong, Geschäftsführerin WWF Appenzell, 076 460 27 48, @email